Cruising Apps und Stigma HIV

Dokumentation eines realen Grindr-Chats vom Mai 2018. Der Screenshot wurde am 22.5. in der Love-Lazers-Ausstellung im queeren Art Space El Parche in Bogotá (Kolumbien) gezeigt und diskutiert (siehe Kommentar unter dem Chat)



Bildschirmschnappschuss eines echten Grindr-Chats

Davon haben viele keine Idee.

Wie sich Diskriminierung HIV-Positiver konkret ausdrückt und anfühlt. Es macht ohnmächtig, sprachlos und tut weh. Das Gefühl kommt auf, weniger liebenswert und allein zu sein. Von diesem Ausmaß haben die meisten Nicht-Infizierten keine Vorstellung. Genau das passiert aber immer noch und es passiert jeden Tag. Diese herabsetzenden Erfahrungen wollen wir mehr in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung rücken.

Um auszuhandeln, was Safer Sex für uns heißt, brauchen wir Fähigkeit und Bereitschaft, die Empfindungen, Gedanken und Motive unseres Gegenübers wahrzunehmen und Verständnis und Mitgefühl für diese andere Sicht zu entwickeln. Das geht bei der Frage „Was ist sicher für uns?“ nur, wenn die Perspektive (potentiell) HIV-positiver Menschen immer mitgedacht wird. Positive Sichtbarkeit, Selbstbewusstsein und positive (Vor-)Bilder“ sind dafür wichtig, reichen aber bei weitem nicht aus.

Der hier abgedruckte Grindr-Chat wurde während einer Gesprächsrunde, in der es eigentlich um PrEP-Info ging, diskutiert. Er löste Scham, Wut und die Bestürzung darüber aus, dass es so etwas überhaupt gibt.

Stellen wir uns diesen Chat als Spitze eines Eisberges vor: Eine einzelne Konversation, die besonders heftig und angreifend war. Sie wirft jedoch die Frage auf, wie viele Chats eigentlich still und ohne Kommentar abgebrochen (oder nie begonnen) werden? Wie oft wird wohl auf den Cruising-Apps leiser, „höflicher“, unsichtbar ausgegrenzt? – Weil das Gegenüber „hiv-positiv“ im Profil offen angeben hat, weil im Chat offenbart wird, positiv zu sein. Vielleicht aber auch einfach, weil Kondome oder PrEP als alleinig bevorzugte Schutz-Maßnahme angegeben wurde. Allgegenwärtig sind auch die Vorurteile gegenüber “zu” femininen Typen, Trans-Menschen, Älteren und Menschen mit anderem Aussehen oder aus anderen Kulturen (die Liste ist nicht vollständig).

Das alles ist nicht einfach nur Nebeneffekt unserer Kommunikation, es ist Ausdruck dafür, wie viele heute ihr Leben leben. Es ist, was wir gelernt haben: ein Leben basierend auf Abgrenzungen, die zu abwertenden Ausgrenzungen werden.

Wir haben 2018 und Zurückweisung, Ablehnung, Ausschlüsse sind noch immer viel zu selbstverständlich! Darüber nicht zu schweigen heißt, das nicht länger hinzunehmen.


Ein passender Artikel dazu: Two Sides of the Same Bed